Christchurch: Städtisches Flair, Neugotik und Bier

// Über eine Stadt zwischen zwei schweren Erdbeben

 In Neuseeland

Neuseelands Städte sind – das muß an dieser Stelle leider nochmal betont werden – kaum bemerkens- und ebensowenig besuchenswert. Aber wie immer gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Zu den Ausnahmen zählt (neben der lebhaften Hauptstadt Wellington) sicherlich Christchurch, die größte Stadt der Südinsel.

Umso tragischer, daß ausgerechnet Christchurch heute von einem schweren Erdbeben getroffen wurde. Weite Teile der Stadt trugen schwere Schäden davon und die Zahl der Todesopfer wird am Ende wohl dreistellig sein. Bis die sympathische Stadt am Avon wieder ein so unbeschwertes Sommerwochenende erleben wird wie vor zwei Wochen, als das Beutelthierchen und seine Begleiter auf der Durchreise waren, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

Ach hätten die Städte Neuseelands ein wenig mehr von Christchurch. In der Stadt an der Ostküste findet man endlich einmal wieder städtisches Flair, wie man es von einer Stadt dieser Größenordnung (Christchurch hat 350.000 Einwohner) auch erwartet. Klar, auch Christchurch hat seinen Speckgürtel mit den braven Vorortsiedlungen und den hübschen Gärtchen. Mittendrin aber gibt es auch eine (groß-)städtische Szene. Es gibt nette Straßencafés und Kneipen und etliche Plätze und Ecken, die einen Besuch wert sind.

Bierprobe im Dux de Lux

Bierprobe im ‘Dux de Lux’. Im Hintergrund der Autor, davor die Hausbiere und das Beutelthierchen

Bierkultur am Avon

Und es gibt leckeres Bier! Gleich zweimal mussten wir deshalb ins „Dux de Lux“ gehen, wo man zwischen Sorten aus der eigenen Brauerei wählen kann. Natürlich gibt es ein gutes Lager, das versteht sich von selbst. Wirklich lecker ist aber das „Nor’Wester Ale“ (das es schon allein dank seiner 6,5% in sich hat), ein dunkles, malziges Bier, das vollkommen zurecht mehrfach prämiert wurde. Etwas leichter und nicht ganz so dunkel, sondern bernsteinfarben kommt das „Blue Duck Amber Lager“ daher. Ebenfalls bei Bierverkostungen ausgezeichnet. Uns hat es jedenfalls geschmeckt und wir können das „Dux de Lux“ (gleich neben dem Arts Centre) nur empfehlen.

Und an den beiden Abenden im Dux fragten wir uns, weshalb es in einer Stadt wie München, die sich so selbstbewußt als Bierstadt präsentiert, (fast) keine vergleichbare Brauwirtschaft gibt. Sicher, es gibt das Unions-Bräu in Haidhausen, aber vergleichbar mit dem „Dux de Lux“ ist es nicht. Am ehesten fällt das Wiener „Siebensternbräu“ in die Kategorie, wo es eben auch eine nette Auswahl an Bieren aus der Hausbrauerei gibt, aber in München sitzen offenbar die bekannten Großbrauereien zu fest im Sattel.

Platz und Plätze in Christchurch

Zurück aber nach Christchurch. Ganz anders als Wellington, das zwischen Hafen und umliegenden Hügeln und Gebirgszügen eingeengt und insofern auch gedrängt wirkt, hat Christchurch jede Menge Platz. Es gibt Plätze und schöne Parks (traumhaft der Hagley-Park und der gleich anschließende Botanische Garten) und es gibt den Avon, der sich entlang der Innenstadt schlängelt. Und an nicht wenigen Stellen wird das englische Erbe, dem sich die Stadt wie keine andere verpflichtet fühlt, sichtbar. Kein Wunder, schließlich wurden viele der Gebäude aus der Stadtgründungszeit von 1860-1880 von englischen Architekten geplant, die sich explizit auf die britische Neugotik bezogen. Die anglikanische Christ Church Cathedral (das wohl bedeutendste sakrale Bauwerk Neuseelands) gehört ebenso dazu wie die ehemalige Universität von Christchurch, das heute das Arts Centre beherbergt.

Das heutige Erdbeben mit der Stärke von 6.3, dessen Epizentrum gerade mal in zehn Kilometern Entfernung in der kleinen Hafenstadt Lyttelton lag, hat beide Gebäude wohl massiv beschädigt. Der 63 Meter hohe Kirchturm der Christ Church Cathedral ist eingestürzt, Schiff und Chor stehen wohl noch und werden hoffentlich auch die Nachbeben überstehen. Der Innenraum des Kirchenbaus (eine offene Holzkonstruktion v.a. aus Totara- und Rimubäumen gefertigt) hat dem Beben also wohl standgehalten, ob die Kirchenfenster noch intakt sind, ist fraglich. Schade wäre es um das große Fenster im hinteren Seitenschiff. Denn wo sieht man sonst noch eine Christusdarstellung, auf der der Gottessohn ein Maori ist. ;-)

Christ Church Cathedral

Die neugotische Christ Church Cathedral

Das Arts Centre, ein stattlicher, nahezu quadratischer Gebäudekomplex mit einer geschätzten Kantenlänge von 150 Metern hatte es uns bei unserem Besuch besonders angetan. Vier charmante Innenhöfe, dazwischen 1-2 Cafés, Kunstgalerien und kreuzgangähnliche Übergänge bilden ein wirklich hübsches Ensemble. Und Kunstinstallationen sorgen dafür, daß das Gemäuer (obwohl rund 130 Jahre alt) nicht allzu verstaubt rüberkommt. Und überhaupt die Kunst: es gehört in Neuseelands Städten offenbar zum guten Ton, daß man seinen Besuchern die Türen der tollsten Museen gratis öffnet. Das Nationalmuseum „Te Papa“ Wellington lockt ja mit freiem Eintritt, genauso ist es in der „Christchurch Art Gallery“.

Die geschwungene Glasfassade außen ist sicherlich Geschmackssache, innen zeigen verschiedene Ausstellungsbereiche eine Revue „alter“ und zeitgenössischer britscher und neuseeländischer Kunst. Wir waren wohl so drei Stunden in der „Art Gallery“ und danach ziemlich erledigt.

Jetzt hoffen wir freilich, daß Christchurch dieses zweite schwere Erdbeben innerhalb eines halben Jahres nicht auch erledigt. Am 4. September 2010 gab es ja ein Beben, das es auf der Richterskala auf 7,1 brachte (das Zentrum lag aber weiter entfernt, als heute). Die größten Schäden von damals waren inzwischen beseitigt und überall sah man Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten. Wie frustrierend muß es sein, wenn man ein so schweres Beben gerade nochmal überstanden hat, dann die Schäden beseitigt und schon wieder stürzen einem die Bauten wie Kartenhäuser zusammen.

Wir selbst sind momentan an der Westküste unterwegs, rund 200 Kilometer entfernt. Die Beben waren zwar auch hier deutlich zu spüren, Schäden an Gebäuden gab es hier aber nicht…

Lese-Tipps
8 Kommentare
  • Christoph
    Antworten

    Schön zu lesen, dass es Euch gut geht!

  • markus
    Antworten

    Liebe Beutelreisenden, seid ihr ok? Erdbebenbedingte Nachfrage aus Sorge…

  • Kerstin
    Antworten

    Hab heute nach dem Nachrichtenhören auch schon an euch gedacht.

  • Martina
    Antworten

    Schön, dass es euch gut geht!!! Ich hatte beim Nachrichtenschauen auch grad eine Schrecksekunde…

  • Marc
    Antworten

    Ja, uns geht es gut. Wir waren vor genau zwei Wochen in Christchurch und sind inzwischen weitergereist. Das bzw. die Beben gestern waren allerdings auch bei uns an der Westküste zu spüren. Auf dem Parkplatz stehend begann unser Campingbus zu wackeln.

    Wir sind jedenfalls wohlauf, sind aber natürlich ziemlich geschockt von dem Erdbeben und den vielen Opfern in der Stadt.

  • Harald
    Antworten

    Marc,hast du die vier Biere wirklich alleine getrunken oder hat dir das Beutelthierchen auf dem Foto geholfen? Wie viel fasst eigentlich in so ein Glas?
    Gute Reise weiterhin

  • Marc
    Antworten

    @Harald:

    Nein, nein, meine zwei Begleiter haben mir natürlich geholfen beim Biertrinken. Wobei auch alle vier Biere (zumindest für ein gestandenes bayerisches Biertrinkermannsbild) machbar wären. In den Gläsern im “Dux de Lux” passten so ca. 0,4l.

    Ansonsten hält man es hier in Neuseeland wie man gerade mag. Ist doch sehr deutsch, daß es bei uns Bier eigentlich nur als 0,33l, 0,5l oder eben als 1,0l-Maß gibt. Hier gibt es (in Restaurants und auch im Supermarkt) die unterschiedlichsten Größen. Von 0,33l oder 0,4l über 550ml oder 600ml bis zu 0,75l.

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  • […] in Australien dann sicher mehr wird haben wollen, außerdem auch die hausgebrauten Biere des Lokals Dux de Lux in Christchurch. Speight's Gold Medal Ale. Eines der besten Biere Neuseelands. Hier eine einsame Flasche am […]

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