Von der Kirche ins Kaufhaus
// Schöner Wohnen in Neuseeland 1
Warum haben wir eigentlich nicht für unsere gesamte Neuseeland-Reise einen Camper gemietet? Neuseeland ist schließlich fast so ein Campingparadies wie Kanada und es gibt viele tolle (und günstige) Stellplätze in Nationalparks etc. Und Fahrzeugwechsel bedeuten auch immer einen gewissen Aufwand, wie wir ja bemerkt haben (siehe Marcs Artikel zum Thema). Dennoch wollten wir nicht auf die Kombination Auto + Unterkünfte verzichten.
Ein Grund dafür sind die interessanten Menschen, die wir auf diese Weise kennenlernen wollten – und in der Tat ist uns das gelungen. Wir haben bislang deutlich mehr Englisch gesprochen, als wir es in derselben Zeit auf Campingplätzen getan hätten, einfach weil man das in den (oft privaten) Unterkünften beinahe MUSS. Manche hatten wir sogar nach diesem Kriterium ausgesucht, etwa unser B&B in den Catlins, wo Eleanor und Don mindestens so kommunikativ waren wie erhofft. Und so ein Frühstück mit echten Neuseeländern ist halt doch was anderes als auf dem Campingplatz, wo sonst nur Touristen sind.
Wohnen mit Familien- bzw. Haustieranschluss
Zweiter Grund waren die Haustiere, besonders manche Hunde, die wir auf diese Art und Weise kennengelernt haben. Einmal ist der Hund der Besitzer mit mir an den Strand spaziert (in Kakanui), ein anderer ließ sich von uns von der Terrasse aus Steine in den Garten werfen, die er dann begeistert wieder angeschleppt hat – um einem dann den angesabberten Stein aufs Knie fallen zu lassen… (in Hokitika an der Westküste) Und der dritte Grund waren bestimmte Unterkünfte selbst, die uns neugierig gemacht hatten – ganz unabhängig von den Vermietern.
Schlafen in einer Kirche: Marama Church
Unsere erste sehr spezielle und sehenswerte Übernachtungsmöglichkeit war eine umgebaute Kirche, die Marama-Church in Lawrence. Marie und ihr Mann betreiben schon länger ein B&B in einem wunderschön renovierten alten Haus. Dann haben sie die kleine verlassene Holzkirche gekauft, abgebaut und in ihrem parkähnlichen Garten wieder aufgebaut. Oder haben sie sie einfach „rübergefahren“? Neuseeländer machen das ja manchmal mit ihren Häusern.
Eigentlich sollte die Kirche für Hochzeiten dienen, das lief aber nicht ganz so gut. Also haben sie sie innen zur Unterkunft umgebaut, von außen blieb sie fast unverändert. Im großen Saal vor dem Altar bzw. der Kanzel sind Schlafzimmer und Wohnzimmer. Links von der Kanzel führt eine Tür ins Bad, rechts davon in die Küche. Beides war früher wahrscheinlich die Sakristei. Der Umbau ist jedenfalls vorzüglich gelungen, alles funktioniert und ist voll benutzbar, trotzdem hat das Kirchlein seinen Charakter irgendwie behalten – vielleicht auch wegen der gotisch-inspirierten Fenster und Türen.
Die Küche ist ein besonderes Zuckerl, nicht nur weil Marie im Kühlschrank ein schön üppiges Frühstück herrichtet. Darüber hinaus sind die Schränke aus wundervollem Holz selbst gebaut. Maries Mann erzählte stolz, dass das das Holz eines sehr hohen und alten Baumes sei, der genau an dieser Stelle im Garten umgefallen sei, bevor die Kirche da stand. Also wollte er wohl dahin.
Bewegte Geschichte: Vom Kaufhaus zum Tanzsalon zum AirBnB
Beim Thema Holz hatte auch unsere zweite spezielle Unterkunft etwas zu bieten, nämlich einen grandiosen Dielenfußboden über die ganze „Wohnung“ hinweg. Über Airbnb hatten wir ein Zimmer in einer Wohnung gemietet, von der Besitzerin mitbewohnt. Wohnung ist aber eigentlich das falsche Wort für dieses Ding in Bluff. Das Gebäude befindet sich direkt am Hafen in Bluff, die Unterkunft ist im ersten Stock.
Der Zugang ist allerdings kompliziert über eine Art Hinterhof und eine Werkstatt und dann die breite Treppe hoch. Denn im Erdgeschoss nach vorne raus befinden sich mehrere Läden, nur mit Bretterverschlägen vom Rest des Erdgeschosses abgetrennt.
Ein „Laden“ davon ist das „Oysters all sorts“ unserer Gastgeberin, irgendetwas zwischen Touristeninformation, kleinem Andenkenladen, Museum, Mini-Kino und Kuriositätenkabinett. Unsere Gastgeberin Cherie Chapman hat nämlich viele Berufe und einer davon ist Künstlerin. Deshalb ist auch der Großteil des Erdgeschosses eine Art Atelier für sie, aber nebenbei auch Abstellfläche und Sammelsurium von allerlei. Vor den Läden steht ein öffentliches Klavier, ein „soziales Projekt“ von ihr, wie sie es nennt. In der Politik war sie übrigens auch schon tätig, als Labour-Kandidatin, wurde aber wohl nichts…
Hat man jedenfalls Hinterhof, Werkstatt und Atelier durchquert, ohne sich von dem allseitigen Chaos einschüchtern zu lassen (vgl. Foto in der Galerie), kommt man zu einer sehr breiten Holztreppe, eher einem Aufgang. Und das erklärt sich wiederum aus der Geschichte des Gebäudes, denn ursprünglich – so steht es auch noch außen dran – war es ein Kaufhaus. Die erste Besonderheit der „Wohnung“ ist also, dass sie nach unten hin offen ist, so eine breite Treppe lässt sich nicht irgendwie „zumachen“, eine Tür war ja nicht vorgesehen. Also sind auch wir bei unserer Ankunft einfach nach Anweisung in die Wohnung “spaziert”. Cherie war gerade nicht da, unser Zimmer aber bezugsfertig.
Atelier, Künstlerwohnung, Lagerhalle & Museum
Die Hauptsache oben ist ein großer, extrem hoher Saal mit erwähntem Dielenboden und einem langen Tresen, der früheren Bar. Nach der Zeit als Kaufhaus diente der Raum jedenfalls auch als Tanzsaal und Billiardsalon. Neben dem Tresen ist ein kleiner Verschlag, wo man früher Eintrittkarten kaufen konnte. Cherie hat sowohl die alten, dicken und insgesamt riesigen Geschäftsbücher des Kaufhauses, als auch die Preislisten des Billiardsalons inklusive der Hinweistafeln, dass man weder pfeifen noch fluchen solle, ausgestellt. In direkter Hafennähe wahrscheinlich nötig. Den ehemaligen Tresorraum mit Tresortür hat uns Cherie auch gleich gezeigt.
Es gibt auch zwei „echte“ Zimmer nach hinten hinaus, so mit Tür und sowas, das sind die beiden Zimmer, die Cherie vermietet. Sie selbst wohnt bzw. schläft hinter einem mit 2 Meter hohen Bretterwänden nur einigermaßen abgegrenzten Bereich im vorderen Bereich des Hauptsaals. Das kleine, fensterlose Bad hat aber wieder eine Tür, immerhin! Die Wände sind bedeckt mit Cheries Kunstwerken, die Front aufs Meer besteht aus drei großen Fenstern mit Buntglas-Verzierung.
Schönes Licht fällt da auf die Sofas und den großen, mit Walknochen dekorierten Esstisch. Alles ganz schön unkonventionell. Wir haben uns dennoch sehr wohl gefühlt, vielleicht auch wegen des tierischen Anhangs. Cherie hat einen kleinen, wurstförmigen und sehr netten Hund, eine Katze schaut auch immer wieder vorbei und hat sich auf den ersten Blick in uns verliebt. Wir mögen das ja, einziger Nachteil ist vielleicht, dass es überall etwas nach Katzen- und Hundefutter riecht, das in offenen Schalen herumsteht…
Das waren nur zwei von mindestens vier wirklich speziellen Unterkünften. Ihr dürft also gespannt sein, wenn es wieder heißt „Schöner wohnen in Neuseeland“.